Neu anfangen, klingt im Kopf ganz einfach, schön, irgendwie befreiend und ist doch in der Realität gar nicht so leicht umzusetzen. Wie oft holt uns unbewusst die Vergangenheit ein, Erfahrungen die in uns gespeichert sind – verknüpft mit Emotionen, die noch immer wirken. Egal wie lang das Erlebte schon vergangen ist.
Situationen aus der Kindheit, die wir als Erwachsener belächeln und im Nachhinein als nichtig abstempeln. In dieser Art und Weise habe ich mir oft selbst unrecht getan, meine Gefühle nicht ernst genommen und wieder schön in die Kiste gepackt zu den anderen alten Unwichtigkeiten.
Um das endlich zu verstehen und auch umzusetzen, kam damals 2014, die bezaubernde Jeannie in mein Leben. Wunderschön, wild, hochsensibel, charakterstark, mit ganz viel Meinung und jederzeit kampfbereit. Eine 5 jährige Lipizzanerstute. Bevor ihre Ausbildung überhaupt richtig losging wurde sie schon als Problempferd weiter vermittelt. Sie hat sich mit allem was ihr zur Verfügung stand, gewehrt. Sobald jemand eine Forderung an sie stellte, ging sie dagegen. Im Inneren so hauchzart und zerbrechlich, dabei hochemotional. Saugte dieses Pferd alles um sich auf, um sich im nächsten Moment, völlig überfordert, wieder zu entladen.
Ich brauchte zu dem Zeitpunkt einfach nur schnell ein zweites Pferd, damit meine Stute Sara nicht alleine bei mir Zuhause ist. Eigentlich war ich an diesem Tag zu einem anderen Pferd unterwegs, diverse äußere Umstände hatten aber verhindert, dass es zu einem Kauf kam. Also hab ich spontan unterwegs nochmal die Anzeigen durchgesehen, angerufen. Der Verkäufer hatte sofort Zeit. Also hin, gesehen, verliebt, gekauft. Ich wusste was ich da kaufe, es war kein Geheimnis, dass dieses Pferd, sagen wir mal, emotional instabil ist. Ein anderer würde sagen, die hat einfach einen an der Klatsche. Und doch war ich fasziniert von dem feenhaften Wesen. Mein Verstand hatte auch schnell die passenden Rechtfertigungen parat… soll ja nur ein Beisteller sein, sie muss ja erstmal keine Anforderungen erfüllen und die Sara wird ihr innere Ruhe vermitteln und überhaupt liebst du ja Herausforderungen. Mhmmm, ja genau.
Ein paar Tage später wurde sie geliefert. Sediert, auf den Hänger geschoben mit einem Handtuch über den Augen. So wie man sich das wünscht für einen Neuanfang. Nach ein paar Tagen der Zurückhaltung, wollte ich sie das erste Mal putzen. Sie war zunächst neugierig und ließ sich auch problemlos halftern. Angebunden, ich beuge mich runter zur Putzkiste, zack hat sie mich in den Hinterkopf gebissen. Ok, also putzen klappt schonmal nicht. Hufe heben, keine Chance.
Auszeit
Gut also, erstmal ab auf die Sommerweide. Die ist 10 km entfernt, Hängerfahren geht sowieso nicht, also musste sie als Handpferd mit. Ich weiß bis heute nicht, wie wir das geschafft haben, es musste einfach sein. Nach ungefähr 3 km Strecke, kam ihre zarte, zerbrechliche Seite zum Vorschein und ich hatte größte Mühe, dieses unbändige Pferd überhaupt noch vorwärts zu bringen. Der Kopf am Boden, jeder Schritt zäh, es hat nicht viel gefehlt und sie hätte sich einfach fallen lassen. Völlig überfordert, wie ein weinendes, trotziges Kind mussten wir den Rest des Weges irgendwie hinter uns bringen.
Nach ein paar Wochen auf der Weide, hatte sie sich sehr schwer am rechten Vorderbein verletzt. Mit dem Huf im Stacheldraht, hat sie sich die Fesselbeuge bis zum Knochen aufgeschnitten. Die Erstversorgung auf der Weide war mehr ein Überlebenstraining für den Tierarzt und mich. Schlussendlich haben wir es irgendwie geschafft, mit Nasenbremse und allen anderen Grauslichkeiten, wenigstens einmal Medikamente und Schmerzmittel zu spritzen. An das Bein kamen wir nicht dran.
Sie muss also nach Hause, hier auf der Weide ist eine Wundversorgung nicht möglich. Laufen kann sie nicht, also muss sie auf den Hänger. 2 Stunden lang haben wir zeitweise mit 4 Mann versucht das Pferd auf den Hänger zu bringen. Keine Chance. Ich war schon völlig am Ende, Hängerfahren hatte ich abgehakt, alle Helfer waren gegangen. Wir müssen also nach Hause gehen… ich stand noch immer an der Hängerklappe mit ihr. Lass den Gedanken und alle Erwartungen los und tadaaa sie geht in den Hänger, als hätte sie das schon immer gemacht. Fassungslos und einfach nur erleichtert sind wir nach Hause gefahren.
Wandel
Aufgrund der Verletzung waren wir beide nun gezwungen uns mit dem anderen auseinanderzusetzen. Ich hatte natürlich Schiss, sie würde mich umbringen, wenn ich die Wunde versorgen muss. Anfangs hab ich sie dafür ganz eng mit zwei Seilen am Tor fixiert, damit sie mich nicht frisst. Sie hat natürlich mit dem Vorderbein geschlagen und gerudert, hatte ich es endlich zu fassen bekommen, gings hinten los. Pferde können auch wenn es sein muss, bei angehobenem Vorderbein, auf der gleichen Seite mit dem Hinterbein nach vorne treten. Ich dachte wir sterben einfach beide, sie bringt mich um und dann fault ihr der Fuß weg.
Ich nehme kurz vorweg, wir leben beide noch. Mehrmals täglich musste die Wunde gespült und wieder abgedeckt werden. Trotz der Schmerzen hat sie mit jedem Mal mehr verstanden, dass ich ihr helfe und mich sorge und um sie kümmere. So schlimm diese Verletzung und die Zeit danach war, es hat das Eis zwischen uns gebrochen. Eine Verbindung ist entstanden, ich habe angefangen ihre Mimik genau zu beobachten. Sie hat gespürt, dass ich ihr zuhöre und versuche sie zu verstehen.
Das war auch mein Neuanfang, es hat quasi ein neues Zeitalter begonnen. Ich war Feuer und Flamme mir alles an theoretischem Wissen über Gestik und Mimik anzueignen. So bin ich auf meiner Reise, durch Bücher und Videokurse, irgendwann bei Klaus Ferdinand Hempfling gelandet. Jedes seiner Bücher hab ich verschlungen, die Rückmeldung der Pferde auf meine Kommunikationsversuche waren durchwegs positiv. Und doch hatte ich noch immer tausend Fragezeichen im Kopf. Ein Kurs bei Hempfling, kam nicht in Frage, Dänemark, unverschämt teuer und meine Kleinste war damals 1 Jahr alt. Ich musste also jemanden im näheren Umkreis finden und so kam ich auf Alexandra König mit ihrer Saliho School. Im Jahr 1 nach Jeannie besuchte ich diverse Chi horsing Seminare bei Alexandra. Das sollte alles ändern.
Vielleicht ist das ein oder andere Buch auch für dich interessant und hilft dir bei einem Neuanfang, Pferdesprache ist einfach unendlich spannend. Das meiste kann man in der Beobachtung lernen, ich hab trotzdem gerne immer wieder mal nachgeblättert.
Hier meine BestOf Liste
Expedition Pferdesprache – Gisa Bührer Lucke
Lexikon Pferdesprache – Dr. Gerry M. Neugebauer, Julia Karen Neugebauer
Mit Pferden tanzen – Klaus Ferdinand Hempfling
Selbstbewusste Pferde – Imke Spilker
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